Hyundai-H2-Lkw in der Schweiz: Klagen über kapriziöse Preise für grünen Wasserstoff

Hyundai-H2-Lkw in der Schweiz: Klagen über kapriziöse Preise für grünen Wasserstoff

Im Aufbau: Das Wasserstoff-Tankstellennetz der Hyundai-Partner in der Schweiz, Stand Juli 2021. Grafik: Hyundai
Unter Druck steht derzeit das Versprechen von Hyundai und Partnern, bis 2025 solle in der Schweiz eine Fahrzeugflotte von 1.600 Hyundai XCIENT Fuel Cell 36-Tonnen-Anhängerzügen aufgebaut werden. In Fachmedien kursierten Meldungen, das Projekt sei oder werde gestoppt. Dem stellte sich zwar am 1. November der CEO des Partnerunternehmens H2 Energy Rolf Huber entgegen. Doch Adjustierungen am Roll Out-Modell scheinen unausweichlich.

Letztjährig war der südkoreanische Automobilhersteller mächtig stolz. „Ein grosser Moment für die Schweiz!“ freuten sich die Lkw-Bauer auf der Infoseite https://aktuell.hyundai.ch/. Weniger als zwölf Monate nach der Präsentation des ersten Fahrzeugs habe die „weltweit erste Flotte“ der serienmässigen, schweren Nutzfahrzeuge Hyundai XCIENT Fuel Cell die magische Grenze von 1 Million Kilometer erreicht. „Damit konnten die 36-Tönner – im Vergleich zu Diesel-Lkws – bereits 631 Tonnen an CO2-Emissionen einsparen. Das Momentum ist für Hyundai genauso historisch wie für die 25 Transport- und Logistik-Unternehmen, sie ab Oktober 2020 nach und nach ihre schweren Wasserstoff-Elektro-Nutzfahrzeuge in Betrieb nahmen und diese mittlerweile permanent auf den Schweizer Strassen einsetzen.“

Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetzes
Parallel dazu bauten die Mitglieder des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz das Wasserstoff-Tankstellennetz aus. Auf die erste H2-Tankstelle in Hunzenschwil (Coop pronto) folgte seit Juli 2020 die Eröffnung von sieben weiteren Stationen: St.Gallen (AVIA), Rümlang (AVIA),  Zofingen (AGROLA), Geuensee (AVIA), Rothenburg (AGROLA), Bern (Coop pronto) und Crissier bei Lausanne (Coop pronto).

Hyundai wollte sich sogleich als europäischer Klimaschutz-Primus darbieten. Daher ist allen genannten Tankstellen gemeinsam die ausschliessliche Abgabe von grünem Wasserstoff (H2 ZERO), sowohl für Pkws (700 bar) wie auch für Nutzfahrzeuge (350 bar). In Gossau bereite AVIA eine weitere H2-Tankstelle ausschliesslich für Lkws vor. Bis 2023 plant zudem ein Förderverein den Aufbau eines flächendeckenden H2-Tankstellennetzes in der Schweiz.

Bei dem Xcient handelt es sich um ein Modell mit einem 350-kW-Elektromotor mit einem maximalen Drehmoment von 2.237 Nm. Zudem ist ein 180-kW-Wasserstoff-Brennstoffzellensystem mit zwei 90-kW-Brennstoffzellenstacks verbaut. Sieben Wasserstofftanks – die Betankung soll je nach Umgebungstemperatur etwa acht bis 20 Minuten dauern – bieten zusammen eine Speicherkapazität von rund 31 Kilogramm Kraftstoff. Eine 72-kWh-Batterie dient als ergänzende Energiequelle. Die maximale Reichweite gibt das Unternehmen mit 400 Kilometern an. Somit sei das Fahrzeug speziell auf die Anforderungen von Flottenkunden zugeschnitten.

Hyundai : Wasserstoff-Elektromobilität per Sorglos-Leasing
2019 gründeten die Hyundai Motor Company und das Schweizer Start Up-Unternehmen H2 Energy ein Joint Venture, das die schweren Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge den Transport- und Logistikunternehmen in einem Pay-per-use-System anbietet. Hyundai Hydrogen Mobility (HHM) bietet den XCIENT Fuel Cell in einer Art Leasing an, das sämtliche Kosten beinhaltet, von der Einfuhr über die technische Betreuung bis zur Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Der grosse Vorteil: Für die Endkunden entfallen dadurch die Initialkosten, wie sie mit dem Kauf eines Nutzfahrzeugs verbunden sind.

Außerdem entstand ein zweites Gemeinschaftsunternehmen namens Hydrospider, an dem Alpiq, H2 Energy und Linde beteiligt sind und das die Produktion von grünem Wasserstoff, dessen Speicherung sowie die Lieferung an Tankstellen managen sollte. Denn das Modell für die Schweiz sieht ausschließlich die Verwendung von grünem Wasserstoff vor. Die Kommerzialisierung der Brennstoffzellen-Technologie im Nutzfahrzeugsektor ist ein wichtiger Pfeiler der “Strategie 2025”, mit der Hyundai bis 2025 ein jährliches Verkaufsziel von 110.000 Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen bei Pkw und Lkw erreichen will. Parallel dazu fährt die Hyundai Motor Group die Produktionskapazität von Wasserstoff-Elektrofahrzeugen bis 2030 auf 500.000 Einheiten pro Jahr hoch. Auch in Nordamerika soll der XCIENT eingeführt werden.

Volatilität des Energiemarktes: Konzept in Bedrängnis

Informationen  von Hyundai-Kunden über angeblich stornierte Verträge und Äußerungen von Beat Hirschi, dem CEO von Hyundai Schweiz, hatte die Fachzeitschrift „trans aktuell“ zu der Meldung verdichtet: Lediglich das Pay-per-use-Programm für die 47 Hyundai Xcient, die bereits auf Schweizer Straßen fahren, werde weiter laufen. Ansonsten erlebe das Projekt wegen exorbitant gestiegener Energiepreise oder auch Mangel an verfügbarem grünen Wasserstoff ein abruptes Ende.

Sichere Fahrt auch in den Schweizer Bergen und bei Schnee: der Xcient. Bild: Hyundai

In einem Interview mit dem Infodienst electrive.net wehrte sich Rolf Huber, CEO von H2 Energy, gegen diese Verkürzung: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt Verträge gebrochen!“ Doch in der Sache kam auch bei Huber die Erkenntnis heraus: Er wäre einfacher mit der Einführung des Wasserstoff-Trucks, hätte sich die Schweiz wie in Deutschland vorgesehen zunächst damit begnügt, auch „grauen“, das heisst nicht vollständig ökologischen, Wasserstoff als Antriebsmittel zu akzeptieren. Vorerst werden sieben deutsche Unternehmen 27 Exemplare des Fahrzeugs in den Flottendienst stellen, heisst es bei Hyundai.

„In unserem Pay-per-Use-Modell konnten wir lange einen Kilometer-Preis anbieten, der vergleichbare Gesamtkosten zu einem Diesel-Lkw ermöglicht hat – unser Kilometer-Tarif ist an den Diesel-Preis gekoppelt“, erklärte Huber in dem Interview. „Wenn nun die Strompreise um 1.000 Prozent steigen, der Dieselpreis in der Schweiz aber nur um 20 bis 30 Prozent, dann schlägt das bei unseren Konsortial-Partnern wie Hydrospider oder den freien Tankstellen voll durch.“

Zwar sei die doppelte Menge an grünem Wasserstoff verfügbar, die das Hyundai-Lkw-Projekt für den Schweizer Markt braucht. Jedoch können die Partner die Preiserhöhungen nur bedingt an ihre Kunden weitergeben und somit nicht das gesamte Strompreisrisiko übernehmen. „Einige Kunden schauen sich nach anderen Lösungen um, andere wollen dennoch weiter machen.“

Auf jeden Fall müssen laut Huber die Konditionen im Leasing-Angebot geändert werden: „Wenn wir jetzt einen Truck verkaufen, müssen wir eine gewisse Strommenge einkaufen, um dessen Betrieb und die Produktion des Wasserstoffs garantieren zu können. Das passiert aktuell zu deutlich höheren Preisen als zum Beispiel 2020.“ Wichtig ist für Huber: „Hyundai taucht zwar in allen Überschriften auf, hat aber nicht direkt etwas damit zu tun. Ich war gerade erst in Südkorea und habe mich persönlich mit den Verantwortlichen ausgetauscht. Es gibt keinerlei Bestrebungen bei Hyundai, das Projekt zu beenden oder ihr Engagement zurückzufahren.“

Hoffen auf Frühjahr und die dänische H2-Pipeline

Hoffnung richten die Hyundai-H2-Konsorten auf das Frühjahr 2023. Dann werden sich laut Huber erfahrungsgemäss die Strompreise deutlich entspannen: „Es wird weniger geheizt, der Stromverbrauch durch die Wärmepumpen geht zurück. Zugleich scheint die Sonne wieder mehr, was PV-Anlagen effektiver macht. Und das Schmelzwasser aus den Bergen treibt die Wasserkraftwerke an. Wir haben also eine höhere Produktion und eine geringere Nachfrage, was üblicherweise in geringeren Preisen bei Terminkontrakten für den Frühling mündet. Und damit sinken auch wieder unsere Kosten.“

Für die Zukunft, so Huber, gibt es große Pläne: „Über H2 Energy Europe, ein Joint Venture von H2 Energy und Trafigura, bauen wir die weltweit größte Wasserstoffproduktionsanlage in Esbjerg, Dänemark. Dort wollen wir eine Kapazität von 1 GW aufbauen, was 90.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr entspricht. Damit kann man 10.000 Lkw betreiben. Der Wasserstoff wird von dem Elektrolyseur dann per Pipeline weitertransportiert – nicht nur in die Schweiz, sondern auch innerhalb von Dänemark und nach Deutschland.“

Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur

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