Am Eisenbahnknotenpunkt in Litauens zweitgrößter Stadt Kaunas laufen seit über zwei Jahren intensive Infrastrukturmodernisierungen. Mit ihrer Fertigstellung im Sommer 2021 ist der intermodale Güterterminal Kaunas in Palemonas am Stadtrand von Kaunas nun durch eine direkte europäische Spuranbindung an das transeuropäische Verkehrsnetz der EU (TEN-T) angebunden.
„Dies ist ein historisches Ereignis für Litauen“, sagt Karolis Sankovski, CEO von LTG Infra, dem staatlichen litauischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen. „Nach mehr als 80 Jahren Pause ist das litauische Eisenbahnsystem dank des EU-finanzierten Projekts Rail Baltica wieder über Polen mit Europa verbunden.“
Das letzte Mal, dass Güterzüge den Bahnhof Kaunas direkt auf der europäischen Spurweite (1.435 mm Breite) aus Polen erreichten, war im Jahr 1939. Als die Sowjetunion Litauen besetzte, wurde die europäische Normalspurbahn sofort auf die russische Breitspur (1.520 mm) umgebaut. Dieser Zustand hält bis heute an.
Kaunas – einer der modernsten Eisenbahnknoten
Laut Karolis Sankovski ist der Bahnabschnitt zwischen dem Bahnhof Kaunas und Palemonas einer der wichtigsten im gesamten Rail Baltica-Projekt. „Die Hauptaufgabe des Projekts wurde nach einem strengen Contracting-Zeitplan abgeschlossen, da das KIT direkt an die europäische Bahninfrastruktur angebunden ist. Das KIT ist fortan der östlichste Punkt des europäischen Schienennetzes, der demnächst von Güterzügen über die europäische Normalspurbahn erreicht werden kann. Der Abschluss der Arbeiten an dieser Strecke wird es uns ermöglichen, dieses Projekt in Richtung Lettland und Estland erfolgreich weiterzuentwickeln.“
Im Frühjahr 2019 wurde mit den Modernisierungsarbeiten des Eisenbahnknotens Kaunas zur Anpassung an die Anforderungen der Rail Baltica begonnen. Im Zuge des Modernisierungsprojekts wurden die europäische Normalspurbahn über Kaunas nach Palemonas verlegt und der historische Eisenbahntunnel von Kaunas modernisiert. Vier Tunnel wurden errichtet, die einen sicheren Bahnübergang für Autos und Fußgänger ermöglichen, die bahnnahe städtische Infrastruktur wurde umgebaut und zusätzlicher Lärmschutz installiert. Im Eisenbahntunnel von Kaunas und auch in dessen Nähe wurden etwa zwei Kilometer parallele Eisenbahngleise mit der Spurweite 1435/1520 mm verlegt. Außerdem wurden rund 3,6 Kilometer der bestehenden Eisenbahn mit einer Spurweite von 1520 mm rekonstruiert und eine neue, neun Kilometer lange Bahnstrecke mit einer Spurweite von 1435 mm errichtet.
Insgesamt besteht der Eisenbahnknoten Kaunas aus vier Abschnitten: Kaunas-Palemonas, Jiesia-Kaunas, Jiesia-Rokai und Rokai-Palemonas. Der Umbau des Abschnitts Jiesia-Kaunas wurde im August 2015 und Jiesia-Rokai im Oktober 2018 abgeschlossen. Die Bauarbeiten auf dem Abschnitt Rokai-Palemonas sollen 2024 beginnen.
Nach Angaben von Sankovski wird die Bahn um Kaunas mit Abschluss der Bauarbeiten zu einem der modernsten Eisenbahnknoten, durch den ein Großteil aller Güterzüge der Rail Baltica-Linie verkehren wird. Die neuen Möglichkeiten, die sich aus der europäischen Normalspur-Eisenbahninfrastruktur bis zum Kaunas Intermodal Terminal ergeben, werden den Unternehmen nicht nur Logistikkosten ersparen, sondern auch Umweltverschmutzung, Staus, Lärm, Straßenverkehrsunfälle und andere negative Umweltauswirkungen des Straßenverkehrs reduzieren, sagt Sankovski.
Wichtig ist auch, dass die europäische Spurweite über Kaunas hinaus bis nach Lettland und Estland verlegt und die Länder in das EU-Eisenbahnnetz integriert werden.
Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur