In einer leeren Fabrikhalle, die zuvor dem Wickeln von Elektrospulen diente, lud der Weltkonzern zur Präsentation. Auf einem riesigen Screen war der gesamte Stadtteil aus der Luft zu sehen. Auf einen Klick erschienen der derzeitige Zustand oder Planungsdetails wie Medien- und Energieversorgung, Vermessungsdaten, Natur- und Denkmalschutz.
Im ganzheitlichen Zwillingsmodell laufen alle Projekt- und Live-Daten in einer Plattform zusammen, heißt es bei Siemens. Alle Beteiligten können so auf diese Daten zugreifen und über die Plattform zusammenarbeiten. Cedrik Neike, Vorstandsmitglied der Siemens AG und CEO der Geschäftseinheit Digital Industries: „Bei Siemens sind wir vom Potential der Digitalisierung überzeugt: Wir verbinden die virtuelle mit der realen Welt, um in Industrie und Infrastruktur mit weniger mehr zu erreichen. Seit heute machen wir das auch für die Siemensstadt Square. Mit einem digitalen Städtezwilling simulieren und testen wir den zukünftigen Kiez vorab in der digitalen Welt, um ihn später in der realen Welt nachhaltiger, inklusiver und somit lebenswerter machen zu können.“
Bis 2035 will das Unternehmen am Standort Siemensstadt Square bis zu 600 Millionen Euro investieren. Das neue Stadtquartier soll eine Million Quadratmeter Geschossfläche vorhalten, für Industrie, Gewerbe, Forschung und Lehre, Wohnen, Beherbergung und soziale Infrastruktur. Wie schon zu den Gründerzeiten sollen Arbeits- und Wohnfunktionen miteinander verbunden werden. Dazu ist der Bau von 2700 Wohnungen geplant. Der Einsatz eines Digitalen Zwillings soll laut Siemens gewährleisten, „Gebäude und Infrastrukturen zu optimieren, noch bevor sie gebaut werden“.
Natürlich benötigt ein derart boomendes Stadtquartier auch eine moderne verkehrliche Anbindung. Deshalb verkündete die Berliner S-Bahn bereits vor zwei Jahren lyrisch: „Die Siemensbahn wird wachgeküsst.“
Bis 2029 soll eine 4,5 Kilometer lange S-Bahnstrecke mit drei neuen Bahnhöfen erneut als Zubringer zum Stadtbahnring reaktiviert werden. Diese „Siemensbahn“ war 1929 in Betrieb gegangen, wurde jedoch 1980 eingestellt. Alter Schotter, marode Holzschwellen, aufgeplatzte Betonbahnsteige, wild wachsende Unkräuter und jede Menge Graffiti – der Arbeitsaufwand ist erheblich. Unterstützt wird dieses Infrastrukturprojekt durch das Land Berlin. Im Rahmen des Projekts i2030 übernahm Berlin die Finanzierung der Planungen.
Um den Industriestandort fit für die Zukunft zu machen, entstehen insgesamt zwei Produktionshubs mit rund 180.000 m² Nutzfläche, erläutert der Konzern. „Der von Siemens genutzte Hub wird auf dem Gelände des heutigen Dynamowerks angesiedelt. Hier wird unter anderem die Produktion des Schaltwerks für Mittelspannung und Niederspannung integriert werden.“ Außerdem wird eine ehemalige Versandhalle zu einer Fläche für Forschung und Entwicklung mit Laborzonen und einem Reinraumbereich umgebaut. In dieses Gebäude zieht neben Siemens Technology auch das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e.V. (WvSC) ein.
„Am Siemens-Standort in Spandau wurde Geschichte geschrieben, mit dem Siemensstadt Square wird jetzt Zukunft in Berlin gestaltet“, formuliert der Konzern in einer Presseaussendung. Der Anspruch verbleibt nicht im Plakativen. Bei der Präsentation der ambitionierten Pläne waren auch junge Siemens-Auszubildende eingeladen. Die „lebendige Zukunft“ und die baulich-planerische Zukunft: eine sympathische Präsentation.
Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur