Auslöser war die Meldung des Bahnstromnetzbetreibers DB Energie, dass Wartungsarbeiten in verschiedenen Kraftwerken und ein anschließender Kraftwerksausfall zu einer Unterversorgung des Stromnetzes führten. Das teilte das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen NEE mit. Die Güterbahnen wurden vom Eingriff in den geplanten Verkehr begreiflicherweise überrascht, so das NEE. Es fordert eine unabhängige Prüfung dieser Angaben. Sollte zutreffen, dass einseitig Güterverkehre angehalten wurden, will das NEE die Bundesnetzagentur einschalten.
Die Deutsche Verkehrs-Zeitung DVZ des renommierten DVV-Verlags stützt die Darstellung des NEE. Dort hieß es am 23. März: „Die DB Netz AG hat am Mittwochmorgen bundesweit den Schienengüterverkehr weitgehend eingestellt. In zahlreichen Bezirken seien die Züge „an geeigneten Betriebsstellen zurückzuhalten“, zitiert die DVZ-Schwesterpublikation “Rail Business” in ihrem Newsletter aus einer internen Mitteilung von DB Netz. Als Grund wird die „Unterversorgung des Bahnstromnetzes der DB Netz AG durch DB Energie“ genannt. Inzwischen rolle der Güterverkehr aber wieder an. Betroffen waren demnach der Norden, der Nord-Süd-Korridor Hannover – Frankfurt/Würzburg, die Moselstrecke sowie Bayern. Für Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg sowie für die östlichen Bundesländer liege die Warnung nicht vor.“
Peter Westenberger, Geschäftsführer des NEE, zeigte sich empört: „Sollte die DB pauschal den Güterverkehr angehalten haben, wäre das ein absolutes Novum. Wir werden die Bundesnetzagentur einschalten, um das aufzuarbeiten und eine Wiederholung definitiv zu verhindern.
Der Güterverkehr ist nicht der Wurmfortsatz der Eisenbahnbranche, er ist systemrelevant für die Industrienation und die Versorgung der Bevölkerung.
Große Teile unserer Verkehre haben heutzutage ähnliche Pünktlichkeitsanforderungen wie der Personenverkehr. Unsere industriellen Kunden haben keinerlei Verständnis für mehrstündige Verspätungen.“
Gerade im Kombinierten Verkehr zerstörten schon länger Probleme mit Verfügbarkeit des Schienennetzes die mühsam geplanten Umläufe der Züge und Personalplanungen. Diese Probleme hätten teilweise wochenlange Folgewirkungen, unterstrich Westenberger: „Das darf sich nicht auf die Stromversorgung ausweiten. Der Schienengüterverkehr muss verlässlich sein und verträgt keine weiteren Strapazen seitens der Infrastrukturbetreiber, sonst werden sich die Kunden abwenden und die Ladung auf die Straße gehen. Die DB muss so oder so eine schnelle Regulierung der bei den Betroffenen entstandenen Schäden gewährleisten.“
NEE versucht sich auch mit einer Erklärung des Hintergrunds dieser außergewöhnlichen Situation. Die Netzfrequenz im Bahnstromnetz liegt abweichend vom öffentlichen Netz bei 16 2/3 Hz. Sie muss durch die Netzleitstelle der DB Energie in engen Toleranzen gesichert werden. DB Energie ist das Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn, das die Versorgung der Bahn-Infrastruktur mit Bahnstrom sichert. Dafür müssen der Bedarf und die Einspeisung kontinuierlich ausgeregelt werden.
Weiter erläutert das NEE: „In den bisher äußerst seltenen Fällen des Ausfalls eines Teils der Einspeisung (Kraftwerk, Umrichter) muss der Verbrauch entsprechend bei den drei Verkehrsarten Personenfern-, Personennah- und Güterverkehr abgesenkt werden.“ Wenn also Züge für mehrere Stunden aufs Abstellgleis müssen, so müsse das alle Zugarten betreffen und nicht nur einseitig den Güterverkehr.
Dazu das NEE: „Selbstverständlich gibt es auch Transporte, die bei akutem Strommangel etwas verschoben werden können. Die Notfallplanung der DB Energie muss allerdings differenziert vorgehen. Mit der Steuerung der energieintensiven Anfahrts- und Beschleunigungsprozesse, der Höchstgeschwindigkeit gerade bei ICE-Zügen, Fahrempfehlungen, der Schwächung und dem Ausfall schwach ausgelasteter Zügen oder der Verschiebung von Leerfahrten stehen Instrumente bereit, die Auswirkungen eines solchen Zwischenfalls zu begrenzen.“
hfs/ne/dv