FDP-Bahnexperte Herbst: Ausbau der Schieneninfrastruktur und Digitalisierung beschleunigen

FDP-Bahnexperte Herbst: Ausbau der Schieneninfrastruktur und Digitalisierung beschleunigen

Torsten Herbst, Photo: Hermann Schmidtendorf
Der gebürtige Dresdner und Diplom-Kaufmann (FH) Torsten Herbst ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Mitglied im Bundesvorstand der FDP, Landesschatzmeister der FDP Sachsen, stellvertretendes Mitglied für die FDP im Bundestags-Verkehrsausschuss. CARGO-MANAGER-Chefredakteur Hermann Schmidtendorf interviewte den ausgewiesenen liberalen Bahn- und Verkehrsexperten.

CARGO-MANAGER journal: Herr Herbst, ich freue mich, dass wir uns wieder einmal unterhalten können zur Verkehrspolitik – und diesmal sind Sie sogar Vertreter einer Regierungspartei. Die erste Frage betrifft den Schienengüterverkehr, und hier eine Forderung der Güterbahnen, die als Mitbewerber zur staatlichen DB Cargo unterwegs sind.  Diese Nicht-DB-Güterbahnen wollen in den DB-Aufsichtsrat, vor allem auch bei der Infrastruktur. Im Aufsichtsrat ist derzeit auch die DB-kritische Gewerkschaft GDL nicht vertreten. Sollte sich das ändern? Sollte der Verkehrsminister als oberster Richtliniengeber für diesen öffentlichen Konzern neue Formen der Mitgliederauswahl finden?

Torsten Herbst: Das zeigt ja genau die Problematik eines integrierten Konzerns, der auf der einen Seite Infrastruktur für alle Marktteilnehmer bereitstellen soll, aber auf der anderen Seite eben selbst auch unterwegs ist, mit eigenen Angeboten in Konkurrenz zu anderen.

Der Bundesrechnungshof kritisiert ja auch, dass es da teilweise eine Personalunion gibt, dass Personen in Aufsichtsgremien von Infrastruktur-Unternehmen sitzen und gleichzeitig bei den Transportunternehmen im Konzern. Ich glaube, dass muss man sich grundsätzlich angucken.

Für mich ist klar, dass im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn Leute sein sollten, die die entsprechende Expertise haben, auch aus meiner Sicht mehr unternehmerische Expertise wieder da hineinbringen.

Man wird sich die gesamte Besetzung angucken und die Organisation der Gremien, auch perspektivisch die Frage: Muss der Bahn-Konzern immer als AG firmieren, oder gibt es da nicht auch andere Formen? Bei der Infrastruktur wird sich das wahrscheinlich nicht anbieten, sondern dass man da eher in Richtung GmbH geht. Aber das wird man sehen. Das muss man sich sehr grundsätzlich angucken, weil es darum geht, vernünftige Aufsichtsgremien zu bekommen und eben zu schauen, dass man, was das Thema Wettbewerb betrifft, da eine saubere Regelung hat, auch unter Compliance-Gesichtspunkten, dass es da keine Interessenkonflikte gibt.

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist zum ersten Mal schriftlich festgelegt, was es lange schon als Forderung gab, aber nicht in so einem Rang wie ein Koalitionsvertrag: 25 Prozent des deutschen Güterverkehrs müssen auf die Schiene. Das sind jetzt 18 Prozent. Weil man ja hört, dass immer noch die Transporte im Güterbereich anwachsen werden, wäre das ja wirklich schon eine erhebliche Steigerung. Was müsste passieren, damit das auch tatsächlich möglich ist aus Ihrer Sicht?

Das hängt an zwei wesentlichen Punkten. Das eine ist, wir müssen das Netz so ertüchtigen, dass wir mehr Güterverkehr abwickeln können. Das betrifft Dinge wie Überholgleise, auch die Ausweitung von Kapazitäten vor Engpässen, Flaschenhälsen, vor den großen Eisenbahnknoten, die im Moment haben. Das ist das eine, was zu tun ist. Das andere. Wir müssen natürlich attraktive Verlademöglichkeiten schaffen, und beides muss Hand in Hand gehen, sonst funktioniert das nicht. Ich sage auch, wenn wir langlaufenden Güterverkehr durch Deutschland haben, wo ein Lkw von Polen nach Frankreich fährt, sollten wir den Ehrgeiz haben, da ein Stück weit diese Güterverkehre auf die Schiene zu bekommen. Das wird nicht schnell gehen können, weil wir, wie gesagt, an vielen Stellen im Moment völlig am Limit sind, was die Netzkapazitäten betrifft.

Wir brauchen hier einen ehrgeizigen Ausbau. Den prognostizierten Zuwachs des Frachtaufkommens werden wir nicht mehr über unsere Straßen abwickeln können. Er muss zum Teil auf die Schiene.

Und wenn wir die Zuverlässigkeit dort garantieren können, wenn wir wissen, dass Züge innerhalb eines gewissen Zeit-Slots dann eben auch ankommen und bei den Kosten wettbewerbsfähig sind, dann glaube ich, es gibt auch einen guten Grund, dass man überlegt, mit dem Unternehmen stärker auf die Schiene zu gehen und nicht alles über die Straße zu steuern.

Und die Infrastruktur, wie Sie sagen, muss natürlich ertüchtigt werden. Das heißt digitalisiert werden auch, damit mehr Züge pro Zeiteinheit reinpassen. Das ergibt sich ja dann automatisch, und da ist natürlich diese neue Namensgebung des Ministeriums für Digitales und Verkehr sinnvoll, weil das Digitale sowieso auch in den Verkehr einfließen muss. Hier spreche wir von ETCS, elektronischen Stellwerken, digitalen Stellwerken. Da gab es jetzt in der letzten Legislatur einzelne Leuchtturmprojekte, aber da ist ja noch viel mehr nötig. Wie kann das funktionieren? Vor allen Dingen auch zeitlich, schnell.

Es ist ein Mammutprojekt. Natürlich müssen wir in die Digitalisierung reinkommen. Wir haben ja zum Teil viele Stellwerke, die schon Unikate sind. Und was die Leistungsfähigkeit betrifft, haben wir über die Digitalisierung durchaus Potenziale, wen auch nicht in allen Bereichen. Wenn man ehrlich ist, mit dem bestehenden Zugsicherungssystem haben wir auf einigen Strecken natürlich schon eine sehr, sehr hohe Kapazität, wo man über Digitalisierung nicht zwingend noch viel mehr herausholt. Aber in anderen Bereichen durchaus.

Ich glaube, man muss in Korridoren denken, ähnlich wie wir das bei der VDE 8 gemacht haben Berlin – München, und so muss man schauen gerade auf europäische Verbindungen, grenzüberschreitende Verbindungen, dass wir dort auf den Hauptstrecken möglichst schnell digitalisieren, und bei den Nebenstrecken wird es dann etwas länger dauern. Aber ich würde mir wünschen, dass wir das hinbekommen, dass wir da mehr Tempo entwickeln.

Das hängt natürlich auch davon ab, was kann die Industrie liefern, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir natürlich die entsprechende Technik dann auch brauchen und umsetzen müssen. Aber ja, wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sagen, dann müssten wir mehr Geld investieren und auch beim Thema Bau noch ein Stück weit zulegen, dass wir da schneller zu einer besseren Digitalisierung kommen. Was eben auch bedeutet, dass Stellwerkstechnik technisch kompatibler ist, dass wir hoffentlich auch das Thema Störungen verringern können und man insgesamt mehr Kapazitäten und einen besseren Service für die Eisenbahn-Verkehrsunternehmen hat.

Manche hoffen ja auch, dass es dann auch Unterstützung finanzieller Art gibt zumindest für die Early Bird, das heißt, wer als erster sich in die Investition begibt, diese ETCS-Geräte in seine Fahrzeuge einzubauen, bekommt am meisten Zuschuss. Wer der letzte ist, weniger. Aber dass man das fördert, und wenn es geht, eben auch diskriminierungsfrei. Das ist alles nicht einfach, aber es macht ja anders keinen Sinn. Sonst wird investiert in die Trasse, aber sie wird nicht voll genutzt in dem richtigen Sinne, weil die Fahrzeuge die komplementären Geräte noch nicht haben. Wird auch in dieser Richtung etwas vorbereitet?

Ja, das ist ein entscheidender Punkt, ein Teil der Infrastruktur, die ja momentan neben dem Gleis steht, ist dann ein Teil der Fahrzeuge. Und da wird man sich Gedanken machen, wie erreichen wir diesen Zustand. Neue Strecken machen ja nur Sinn, wenn ich quasi die alte Technik abschalten kann, dann ist die Bedingung, dass ich halt die Kompatibilität für ETCS habe und die entsprechenden Units auch an Bord der Fahrzeuge. Und das muss jetzt mit Hochdruck vorantrieben werden. Deshalb müssen Sie auch überlegen, auf welche Strecken oder in welchen Bereichen macht es Sinn? Weil dann müssen wir eben auch die Bahn dazu bringen, dass sie halt bei sich die Investitionen vornehmen. Und da muss auch der Staat helfen, dass wird zumindest in der Anlaufphase notwendig sein, dass man auch vom Staat Unterstützung leistet.

Aber wir haben ja im Endeffekt dann auch einen Erfolg für die Standfestigkeit der Industrie in Deutschland, wenn Transporte gut funktionieren, ohne Stau…

… die Bahntechnik-Industrie ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Wenn wir zeigen, dass wir das hier hinbekommen, dass es in Deutschland funktioniert. Viele andere Europäer stehen ja vor ähnlichen Herausforderungen wie wir. Das ist auch industriepolitisch sehr interessant.

Herr Herbst, ein herzliches Danke für das Gespräch!

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