Beim 15. VDV-BME-Forum Schienengüterverkehr umriss der VDV-Vizepräsident und Vorstand der Bentheimer Eisenbahn AG Joachim Berends die Aufgaben, welche für die kommende Zeit vor der Gütertransport- und Logistikbranche stehen.
Ein Videobericht findet sich auf unser Video-Plattform, Link: https://youtu.be/VNp9FnVPE-w
Berends sprach sich aus für die Stimulierung des Einzelwagenverkehrs und für Planungssicherheit bei den Trassenpreisen, die sich dauerhaft nicht nach den Vollkosten richten sollten. „Wir sind in Deutschland Weltmeister der Normierung!“ freute sich humoristisch Berends. Da solle die Einführung von technischen Neuerungen wie der Digitalen Automatischen Kupplung DAK schnell gelingen.
Den Weg zur Steigerung weise eine Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, die im letzten Jahr mit Roland Berger erstellt wurde: „Es gibt eine Auflistung der maßnahmenbezogenen Kosten und auch eine Ableitung des Finanzierungsbedarfs. Wir haben in diesem Bereich auch eine Zuordnung der Kosten zu den Akteuren vorgenommen.“
Für das Ziel, den Anteil des SGV am modalen Split auf 25 Prozent zu steigern, seien 69 Milliarden Euro nötig. Dabei fallen auf den Staat 38 Milliarden Euro, von denen bislang 21 Milliarden Euro bis 2030 im Haushalt festgelegt seien. Engagiert werden solle auch branchenexternes Kapital in Höhe von mindestens 1,4 Milliarden Euro, so Berends: „Hier ist deutlich mehr Luft noch drin.“
Positiv wurden die Aussagen des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Digitales und Verkehr BMDV Michael Theurer aufgenommen. Theurer, der auch Schienenbeauftragter der Bundesregierung ist, versicherte, viele der Punkte aus dem VDV- Programm stimmten mit den Vorstellungen des Ministeriums überein und sollten mit dem Ministerium weiterentwickelt und verwirklicht werden. Explizit sprach Theurer Engpässe und Kapazitätsgrenzen auf Deutschlands Bahngleisen aus: „Die Situation besteht zwischen Personen- und Güterverkehr, es gibt Wartezeiten, und deshalb ist aus unserer Sicht die Engpass-Beseitigung einer der Schwerpunkte. Man kann sagen, dass von 5000 Kilometern Haupttrassen etwa tausend Kilometer Probleme machen, und wir werden deshalb auch mit den Zuständigen in den Abteilungen darüber sprechen, wie man diese beseitigen kann.“
In der Debatte mit dem Schienenbeauftragten stimmten die Teilnehmer*innen zu, dass die Digitalisierung des Schienen- und Frachtverkehrs eine wichtige Priorität sei. Allerdings müssten die Schnittstellen zwischen den Akteuren harmonisiert werden. So arbeite die Deutsche Bahn mit SAP-Softwarelösungen, viele Industriebetriebe, also die Kunden, jedoch nicht. Und auch bei der DB Netz sei die Digitalisierung offenbar nicht optimal eingestellt – jedenfalls habe im letzten Halbjahr die Erstellung von Fahrplänen oft etliche Stunden gedauert, so dass Güterzüge aus dem Verkehr genommen werden mussten, bis klar war, wie sie weiterfahren könnten.
Auch der Leiter der Standortlogistik der BASF Ludwigshafen Dr. Thorsten Bieker betonte, dass für die Nutzung des Schienenverkehrs eine deutlich bessere Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit vonnöten sei. CPO Jan Grothe von der Deutschen Bahn stimmte dem BASF- Vertreter zu: „Wir haben im Güterverkehrsbereich eine Pünktlichkeit von 50 Prozent, wir müssen in den 90er Bereich kommen.“
Insgesamt müsse die Ausstattung und Anzahl von Gleisanschlüssen und multifunktionalen Zugangsstellen erhöht werden, hieß es mit Verweis auf die Gleisanschluss-Charta, die mittlerweile von 44 Verbänden mitgezeichnet wurde. Über nachhaltige Logistiklösungen sprachen Ercan Lawrenz von der DB Cargo, Andreas Marquart von Erbacher the food family, und Christian Stavermann, Geschäftsführer der Eisenbahngesellschaft Ostfriesland/Oldenburg. Stephan Bull, der BMDV-Referatsleiter für Masterplan Schienengüterverkehr und Gleisanschlussförderung, stellte Erprobungen von Innovationen im SVG vor. Geschäftsführer Carsten Schiering referierte zu hybriden Ganzzug-Lösungen, und Melanie Abels von der KfW-Ipex-Bank ging auf Finanzierungsperspektiven bis 2030 ein.
Aufmunternd waren die Vorträge von Sebastian Will, Vizepräsident beim Bundesverband Sekundärstoffe und Entsorgung, sowie Jes-Christian Hansen, Geschäftsführer des Futtermittel-Unternehmens HaBeMa. Beide verzeichneten in ihren Unternehmen eine nachgerade perfekte Einbindung des Schienengüterverkehrs in das Logistikmodell. Allerdings komme ein wirtschaftlich attraktiver und organisatorisch gut getakteter SGV nicht von alleine, sein Aufbau fordert aktives Engagement. Hansen: „Jeder muss das Geschäft wirklich wollen.“
Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur